Herr Schnatz, Sie sind nicht nur Bürgermeister der Verbandsgemeinde Diez, sondern auch Vorsitzender der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) Lahn-Taunus. In dieser Funktion möchten wir von Ihnen etwas mehr über die sogenannten „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ erfahren. Was steckt dahinter?
Bei den „ehrenamtlichen Bürgerprojekten“ geht es darum, das Engagement und Ehrenamt im ländlichen Raum mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Jede Person, die eine Idee hat, mit der er oder sie die Region nachhaltig voranbringen kann oder mit der das ehrenamtliche Bürgerengagement gestärkt wird, kommt für die Förderung der „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ in Frage.
Sie sprechen von einer finanziellen Förderung. Woher kommen die Gelder und wieviel Geld wird in die „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ der Region Lahn-Taunus investiert?
Die „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ sind ein Teil des LEADER-Ansatzes, bei dem die Europäische Union Vorhaben im ländlichen Raum unterstützt. LEADER bedeutet übersetzt so viel wie die Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft („Liaison Entre Actions de Développement de l’Économie Rurale“). Neben der EU spielen die Bundesländer und vor allem die LEADER-Regionen eine tragende Rolle. Unsere LEADER-Region besteht aus den Verbandsgemeinden Aar-Einrich, Bad Ems-Nassau, Diez und Nastätten. Die Fördermittel erhalten wir von der EU, dem Land Rheinland-Pfalz und den Kommunen, wobei die EU den größten Teil der Gelder gibt. Zwischen 2014 und 2021 standen unserer Region Fördermittel in Höhe von 2,7 Millionen Euro zur Verfügung von denen über 100.000 € in die „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ geflossen sind. Allein in diesem Jahr standen beispielsweise 30.000 € nur für ehrenamtliche Bürgerprojekte zur Verfügung. Dabei kann ein Einzelprojekt eine maximale Fördersumme von 2.000 € erhalten.
Das bedeutet, dass jede:r die Möglichkeit hat für seine bzw. ihre Vorhaben in der LEADER-Region Lahn-Taunus, eine Finanzspritze von bis zu 2.000 € zu erhalten?
Fast. Für eine Förderung im Rahmen der „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ können sich gemeinnützige Organisationen, NGOs und auch Gruppen von nicht organisierten Menschen, bei denen eine Person die Federführung übernimmt, bewerben. Die „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ werden im Wettbewerb ausgewählt. Der erste Schritt ist die Idee bis zu einem Stichtag bei der LAG, die für die Auswahl solcher und weiterer Projekte zuständig ist, einzureichen. Dort wird geprüft, ob die Kriterien für ein solches „ehrenamtliches Bürgerprojekt“ erfüllt werden und eine Förderung grundsätzlich möglich ist. Mit Hilfe verschiedener Kriterien werden im Anschluss alle eingereichten Projekte durch die LAG bewertet. Für Projekte mit einer besonders hohen Punktzahl gibt es eine Premiumförderung (2.000 €). Projekte, die die Mindestpunktzahl erreichen, bekommen eine Standardförderung (1.000 €). Die Gelder werden solange entsprechend der erreichten Punktzahl vergeben, bis das Budget von 30.000 € aufgebraucht ist.
Können Sie für uns kurz zusammenfassen, wie diese Auswahlkriterien aussehen, damit die Bürger:innen der Region erfahren, wie die LAG die Entscheidungen trifft?
Die LAG, die aus Vertreter:innen der Wirtschafts- und Sozialpartner, der Zivilgesellschaft (beispielsweise Vereine und Verbände) und der öffentlichen Verwaltung aus allen Verbandsgemeinden der Region besteht, hält sich an verschiedene Muss- und Soll-Kriterien. Das Projekt darf zum Beispiel keine privatwirtschaftlichen Ziele verfolgen oder Gewinn erwirtschaften und muss vollständig im LAG-Gebiet (in den Verbandsgemeinden Aar-Einrich, Bad Ems-Nassau, Diez und/ oder Nastätten) liegen. Außerdem soll das Projekt zum Beispiel die Attraktivität des Ortes steigern oder einen Beitrag zum Natur- und Klimaschutz leisten. Je nach erwarteter Erfüllung des Kriteriums erhält das Projekt Punkte von 0 (trifft nicht zu) bis 3 (hoch). Alle Kriterien haben wir auf unserer Webseite (www.leader-lahn-taunus.de) im Downloadbereich veröffentlicht. Antragsteller:innen können sich die Kriterien anschauen und schon in ihrer Interessensbekundung beschreiben, wie ihr Projekt die Projektauswahlkriterien erfüllen wird.
Danke Herr Schnatz. Kommen wir nun zu der Projekteinreichung. Können Sie den Leser:innen erklären, wie sie einen Förderantrag einreichen können und was sie dabei beachten müssen?
Eingereicht werden, können die Förderanträge, genauer gesagt die Interessenbekundungen, immer innerhalb des Zeitraums eines Förderaufrufes, der über die Website und die Mitteilungsblätter angekündigt wird. In diesem Zeitraum müssen die Antragsteller:innen ein Formular ausfüllen, das sie ebenfalls auf der Website unter dem Reiter ‚Downloads‘ finden. Darin werden beispielsweise Informationen über die Antragsteller:innen, das Projekt und über die Zusammensetzung der Kosten abgefragt. Das vollständig ausgefüllte Formular muss dann bis zu einem gewissen Stichtag bei der Verbandsgemeinde Diez eingereicht werden.
Wann können wir mit dem nächsten Förderaufruf rechnen?
Aktuell läuft ein Förderaufruf bis zum 20.01.2022. Den darauffolgenden Förderaufruf veröffentlichen wir, sobald die Lokale Aktionsgruppe die Gelder vom Land Rheinland-Pfalz erhalten hat. Ich gehe davon aus, dass das im ersten Quartal 2022 sein wird.
Was passiert, nachdem ein Projekt durch die Lokale Aktionsgruppe ausgewählt wurde?
Die Antragsteller:innen werden von uns benachrichtigt und bekommen eine Zielvereinbarung. Das ist eine Art kleiner Vertrag, in dem die LAG ihre Förderzusage gibt und die Antragsteller:innen zusagen die Bedingungen zum Abruf der Gelder anzuerkennen.
Wenn das Projekt fertig ist, wie erhalten die Projektträger:innen denn dann konkret ihr Geld? Wie sehen diese Bedingungen aus?
Die Projekte müssen noch im Jahr der Projektauswahl beendet werden. Nach der Fertigstellung füllen die Projektträger:innen einen Sachbericht aus und reichen diesen bis September bei der Verbandsgemeinde Diez ein. Der Sachbericht ist eine kurze Darstellung, wann und wie das Projekt umgesetzt wurde und welches Ergebnis dabei rauskam. Am besten wird die Umsetzung des Projekts mit Fotos dokumentiert, die mit dem Sachbericht eingereicht werden. Im Sachbericht sind auch die entstandenen Kosten aufzuführen. Nach Prüfung der Sachberichte und Rechnungen wird das Geld an die Antragesteller:innen überwiesen und die entstandenen Ausgaben erstattet. Wichtig hierbei ist, dass alle Kosten mit Rechnungen oder Quittungen belegt sind. Die Rechnungen müssen auf die Antragsteller:innen, beispielswiese den Verein oder die federführende Person, ausgestellt sein, sonst können wir diese leider nicht anerkennen.
Gibt es noch weitere Kosten, die nicht anerkannt werden können?
Ja, es gibt ein paar wenige Dinge, die wir nicht fördern können. Dazu zählen beispielsweise Speisen und Getränke, gebrauchte Gegenstände und alles was vor Abschluss der Zielvereinbarung gekauft wurde. Auch sollten Materialien nicht über Kleinanzeigen bezogen werden.
Die LAG Lahn-Taunus führt bereits mehrere Jahre die „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ durch. Was sollten die Leser:innen bzw. Antragsteller:inenn ihrer Meinung nach beachten? Was ist besonders wichtig? Haben Sie gute Tipps für uns?
Erst einmal bin ich sehr froh, dass viele Leute einen Antrag auf Förderung stellen und die „ehrenamtlichen Bürgerprojekte“ in den letzten Jahren an Bekanntheit in der Region gewonnen haben. Wir hatten die Möglichkeit viele gute Projekte zu fördern, die die Gemeinden und die Region voranbringen und die Lebensqualität erhöhen. Es gibt aber tatsächlich ein paar Dinge, die Antragsteller:innen beachten sollten. Anträge, die bei der Verbandsgemeinde Diez eingereicht werden, sollten nicht nur eine weit entfernte Idee, ohne Interesse der Umsetzung sein. Die Projekte müssen schon so weit ausgereift sein, dass nach der Förderzusage und Unterzeichnung der Zielvereinbarung, direkt gestartet werden kann.
Deshalb bitten wir alle Antragsteller:innen ihre Vorhaben handfest, umsetzungsbereit und mit einem Plan für die Kosten sowie möglichen Genehmigungen einzureichen. Als Beispiel können wir die Verschönerung eines Dorfplatzes nehmen. Hier sollte klar sein, welche Kosten beispielsweise für Baumaterial, Bäume und Pflanzen, eine Bank, ein Insektenhotel oder eine Infotafel entstehen werden. Ebenso muss die Genehmigung des Grundstückeigentümers, in dem Beispiel die Ortsgemeinde, vorliegen.
Beim wem können sich interessierte Bürger:innen melden?
Bei Projektideen nehmen Sie gerne Kontakt zum Regionalmanagement auf.