In den letzten Wochen und Monaten haben sich der Verbandsgemeinderat und seine Fachausschüsse mit Photovoltaik befasst. Warum eigentlich?
Wir alle kennen die aktuelle Lage in der Welt und die Auswirkungen auf den Energiemarkt. Wir alle wissen auch, dass in Paris Klimaschutz-Ziele beschlossen wurden – im Ergebnis müssen wir dringend auf Treibhausgas-neutrale Energiegewinnung umschwenken und somit neue Möglichkeiten zur Stromerzeugung schaffen. Strom aus Photovoltaik kann uns helfen, schneller unabhängiger von Öl, Kohle und Gas zu werden und die CO2-Emissionen deutlich zu verringern.
Zuletzt hatten schließlich auch einige unserer Ortsgemeinden sowie potenzielle Betreiber nach konkreten Möglichkeiten zur Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen bei uns nachgefragt. Voraussetzung für die Errichtung ist allerdings ein umfangreiches Planverfahren, in welchem auch eine Alternativenprüfung durchgeführt werden muss. Auch der Flächennutzungsplan muss für „Sonderbauflächen“ Photovoltaik geändert werden, so dass das gesamte Gebiet der Verbandsgemeinde auf Alternativen zu prüfen ist.
Können zukünftig also nahezu überall große Photovoltaikanlagen gebaut werden?
Nein, ganz im Gegenteil. Gerade um eine solch
ungesteuerte Entwicklung und Entstehung solcher Anlagen zu vermeiden, hat die
Verbandsgemeindeverwaltung in Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro einen
Kriterienkatalog entworfen, der bei der Flächenauswahl berücksichtigt werden
und nach dem sich auch die Eignung von Alternativflächen richten muss. Parallel
zu unseren eigenen Überlegungen ist uns im
März ein gemeinsames Schreiben des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt,
Energie und Mobilität (MKUEM) und des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr,
Landwirtschaft und Weinbau (MWVLW) zugegangen, in dem seitens des Landes
Vollzugshinweise über Gebote für Solaranlagen auf Ackerland- und
Grünlandflächen in benachteiligten Gebieten angeordnet werden. Diese Vorgaben
sind für Ausschreibungen von Photovoltaikanlagen mit einer Vergütung nach dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz von den Landesbehörden anzuwenden. Daher wollten wir
zunächst unseren Kriterienkatalog mit diesen übergeordneten Vorgaben in
Einklang bringen. Dabei haben wir Spielräume, die das Land an der einen oder
anderen Stelle offenlässt, nach unseren Vorstellungen genutzt, damit die
Ortsgemeinden flexiblerer entscheiden können. Eine
Befragung oder Mitwirkung einzelner potentieller Anlagenbetreiber hat dabei
nicht stattgefunden und ist künftig auch nicht beabsichtigt. Einzig und alleine
wurden die Vorstellungen unserer Ortsgemeinden sowie der Stadt Diez und unsere
eigenen in die Überlegungen mit aufgenommen. Zusätzlich hat der Naturschutzbund
Deutschland (NABU) weitere Kriterien zur Naturverträglichkeit solcher Anlagen
entwickelt, und auch mit diesen hatten wir uns auseinanderzusetzen.
Also müssen die Ortsgemeinden sich nun streng danach richten, was im Verbandsgemeinderat beschlossen wurde und noch beschlossen wird?
Wir achten bei allen Vorgaben – und nicht nur im Bereich von Photovoltaikanlagen – sehr darauf, die verfassungsmäßig garantierte kommunale Selbstverwaltung der Kommunen nicht zu beschneiden und wollen unseren Gemeinden und der Stadt Diez kein enges Korsett überstülpen, sondern wir respektieren deren eigene Wünsche und Vorstellungen. Und so haben wir im Fachausschuss und im Rat lange darüber diskutiert, wie tiefgehend der Regelungsgehalt unseres Kriterienkataloges sein sollte.
Verwaltung und Planungsbüro waren übereinstimmend der Auffassung, dass unser Katalog bereits sehr weitgehende Vorgaben enthält. Gleichwohl haben unsere Gremien beschlossen, dass für die Gemeinden künftig die Empfehlung gelten wird, auch die Hinweise des NABU bei Bauleitplanung und Vertragsgestaltung mit Vorhabenträgern zu beachten und umzusetzen. Wir haben damit alle förderrechtlichen Vorgaben des Landes erfüllt, aber auch den Naturschutz umfassend mitberücksichtigt. Alles Weitere obliegt nun den einzelnen Gemeinden und der Stadt Diez.
Es wurden Vorwürfe laut, dass die Verbandsgemeinde nun genau dabei die Gemeinden alleine lässt.
Das Gegenteil ist der Fall. Der Kriterienkatalog regelt so viel wie nötig und so wenig wie möglich im Detail, so dass die Gemeinden noch eigene Gestaltungsmöglichkeiten nutzen können. Über diese Möglichkeiten ist in den Gemeinderäten vor Ort nach demokratischen Grundsätzen zu entscheiden, diese Planungshoheiten können und wollen wir nicht an uns reißen. Bei konkreten Ideen und Vorhaben steht unsere Verwaltung den 22 Ortsgemeinden und der Stadt Diez selbstverständlich mit Rat und Tat zur Seite, so wie bei allen anderen Aufgabenstellungen auch.
Wie ist der aktuelle Sachstand? Was wird im Kriterienkatalog genau festgelegt?
Aktuelle Beschlusslage ist, dass nach intensiver Vorberatung im Ausschuss für Bauen, Planen und Umwelt der Verbandsgemeinderat in seiner letzten Sitzung am 23. Juni beschlossen hat – und dies übrigens einstimmig – , den Kriterienkatalog zur Steuerung von Photovoltaikanlagen in der überarbeiteten Fassung anzunehmen. In die Überarbeitung eingeflossen waren die bereits erwähnten jüngsten Vorgaben des Landes, und daneben haben wir auch einen Zusatz aufgenommen, dass die Hinweise des NABU zur Naturverträglichkeit beachtet werden sollen. Gerade auch mit Blick auf den Umgang mit unseren vorhandenen und wertvollen Ressourcen und Anbauflächen in der Verbandsgemeinde Diez ist ein Regelwerk entstanden, welche zum Einen der durchschnittlichen für die Verbandsgemeinde Diez berechneten Ertragsmesszahl gerecht wird, zum Anderen aber auch ausreichend Flächen für eine Ausweisung von Photovoltaikanlagen bietet.
Die Planungshoheit für konkrete Anlagen verbleibt damit bei den Ortsgemeinden und der Stadt Diez, also nach Auffassung des Rates und auch nach meiner eigenen: dort, wo sie hingehört. Alle Entscheidungen über die Errichtung von Photovoltaikanlagen, auf welchen Flächen und in welcher Größenordnung dies geschehen soll, können nur vor Ort sinnvoll getroffen werden, nämlich von den jeweiligen Gemeinderäten. Die seitens der Verbandsgemeinde nunmehr beschlossenen Kriterien setzen Landesvorgaben um und helfen bei der Vorauswahl – und wenn es konkret wird, bietet die Verwaltung gemeinsam mit dem Ingenieurbüro jede Hilfestellung an, die notwendig ist.
Bürgermeister Michael Schnatz (im Bild rechts) und Fachbereichsleiter Torsten Loosen erörtern das Planwerk für potenzielle Photovoltaikanlagen auf Freilflächen